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Aufgaben im Projekt – Was zu tun ist

Projektmanagement

Im Projektmanagement kümmern sich vor allem die ProjektmitarbeiterInnen des Instituts für Geographie und Raumforschung der Universität Graz um das Erreichen der Projektziele und um einen reibungslosen Ablauf des Forschungsprojekts. Dazu ist es notwendig, die einzelnen Arbeitsschritte festzulegen, einen Zeitplan für diese zu gestalten und auch die Verantwortungen für jeden Arbeitsschritt zu definieren: Wer macht was? Wer ist wofür verantwortlich? Wann müssen welche Arbeiten fertig sein? Man kann sich das so wie bei einem Hausbau vorstellen: Alle Gewerke müssen zusammenarbeiten, damit ein Haus zeitgerecht fertig ist und so kann beispielsweise der Fliesenleger nicht beginnen, solange der Estrich nicht gelegt und auch getrocknet ist.

Auch die Zusammenarbeit und Kommunikation innerhalb des Projektteams muss koordiniert werden und es ist darauf zu achten, dass die veranschlagten Kosten nicht überschritten werden. Zum Projektmanagement zählt auch, Treffen zwischen den Projektpartnern zu organisieren. Diese dienen dazu, Zwischenergebnisse allen MitarbeiterInnen mitzuteilen, sich auszutauschen, Probleme zu diskutieren und die nächsten Schritte zu besprechen. Eine weitere Aufgabe des Projektmanagements ist es, dem Fördergeber über den Projektfortschritt Bericht zu erstatten. In diesem Projekt ist der Fördergeber die Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), die das Projekt ways2see finanziert.

Bedürfnisse der NutzerInnen

Befragungen mittels Interviews

Sehende Personen können sich oft schwer vorstellen, wie sich Menschen mit Sehbeeinträchtigung oder Blindheit orientieren, wie sie ihre Wege vorbereiten und schlussendlich auch zurücklegen. Bevor die Umsetzung und die Programmierung der Internetplattform richtig starten können, ist es daher wichtig zu analysieren, was Menschen mit Sehbeeinträchtigung oder Blindheit benötigen und was sie von einer Internetplattform erwarten. Uns war und ist es ein besonderes Anliegen, diese Anforderungen möglichst genau in Erfahrung zu bringen und in das System zu integrieren – denn die Informationsplattform soll ja auch verwendet werden!

Zu diesem Zweck wurden Interviews mit Personen mit Sehbeeinträchtigung oder Blindheit zu den Themen Mobilität, Barrieren, Orientierung und der Nutzung von technischen Hilfsmitteln von Herrn Matthä geführt. Zu den Befragten gehörten neben Betroffenen auch MobilitätstrainerInnen, deren Aufgabe es ist, Menschen mit einer Seheinschränkung bei dem Erlernen ihrer täglichen Wege zu unterstützen. Um den eigenen Blickwinkel zu erweitern und sich besser in die Lage von Menschen mit Sehbeinträchtigung oder Blindheit einfühlen zu können, führten Frau Dr. Zimmermann-Janschitz und Frau Dückelmann eine Selbsterfahrung durch: Gemeinsam mit Projektmitarbeiter Thomas Matthä und Herrn Nagl, Mobilitätstrainer des Odilien-Instituts, haben sie einen kurzen Weg mit einer Augenbinde und unter Zuhilfenahme des weißen Stocks durchgeführt und so selbst mehr über die Orientierungsmöglichkeiten sowie auch die Schwierigkeiten von Personen mit Sehbeeinträchtigung oder Blindheit auf ihren täglichen Wegen erfahren.

Der Workshop – Arbeitstreffen mit Betroffenen

Am 15. Oktober 2015, "am Tag des weißen Stockes", fand im Odilien-Institut ein Treffen mit dem Projektteam, Betroffenen und MobilitätstrainerInnen statt. Ziel war es, einerseits das Projekt ways2see vorzustellen, andererseits Erfahrungen der zukünftigen NutzerInnen von ways2see einzuholen und festzuhalten. Mehr als 30 TeilnehmerInnen brachten in sehr angeregten Diskussionen wertvolle Erfahrungen ein, die für die Entwicklung der Informationsplattform von großer Bedeutung sind. In vier Blöcken wurde ermittelt, was für die NutzerInnen Barrieren und Schwierigkeiten auf öffentlichen Straßen darstellt und was sie sich von dieser Informationsplattform wünschen. Abschließend wurde besprochen, wie die einzelnen TeilnehmerInnen auf Webseiten navigieren, welche Hilfsmittel sie benützen und was die Lesbarkeit von Webseiten erleichtert. Der Workshop hat den gesamten Nachmittag in Anspruch genommen – an dieser Stelle gilt nochmals unser Dank an alle Mitwirkenden und das Odilien-Institut, deren Räumlichkeiten wir nutzen durften und das für das leibliche Wohl gesorgt hat.

Hier ein paar Eindrücke:

aufmerksame TeilnehmerInnen Der zweite Teil des Workshops Diskussionen in der Pause

Ein Teil der Diskussionsrunde gespannte ZuhörerInnen Thomas Matthä als Moderator

Ein weiterer Workshop – zweite Diskussionsrunde zu Applikationsdetails

Geraume Zeit nach dem ersten Treffen fand im Odilien-Institut am 22. Juni 2017 ein zweites Treffen mit potenziellen NutzerInnen von ways2see statt. Auch bei der zweiten Diskussionsrunde haben mehr als 20 TeilnehmerInnen mitgearbeitet. Der Workshop hatte zum Ziel, eine Rückmeldung zur Bedienbarkeit und Screenreader-Tauglichkeit der Benutzeroberfläche zu erhalten und deren Verhalten in verschiedenen Umgebungen (Kombination von Betriebssystem, Internet-Browser sowie Screenreader) in Erfahrung zu bringen. Im zweiten Teil des Workshops stand die Wegbeschreibung selbst im Mittelpunkt. Sowohl das Abrufen der Wegbeschreibung wie auch die Inhalte, die Richtungsangaben und Hinweise wurden kritisch beleuchtet. Mit durchwegs positiven Rückmeldungen, aber auch zahlreichen Anregungen endete ein weiterer spannender Nachmittag. An dieser Stelle dürfen wir uns ganz herzlich bei den Mitwirkenden dieses Workshops bedanken: Daniela Dold, MA, Sarah Gaicher, Julian Gimplinger, Sebastian Glanzer, Prof. Franz Griesbacher, Daniela Grießbauer, Gerhard Gschaider, Dipl.Päd. Marija Gschaider-Kraner, Anna-Maria Javornik, BEd Manfred Kohlfürst, Prof. DI (FH) Erich Könighofer, Christopher Kopel, Lisa Leski, Dipl.Päd. Franz Nagl, Lukas Raab, Ursula Raunig, Jens Sakelsek, BA, Sabrina Spitaler, DI Reinhard Urban, Elfriede Wachter, Melanie Zraunig. Natürlich gilt spezieller Dank dem Hausherren des Odilien-Instituts, Herrn Direktor Mag. Rudolf Zangl, MBA sowie Thomas Matthä für die gelungene Moderation des Nachmittags.

Auch vom zweiten Workshop haben wir einige Fotos:

aufmerksame TeilnehmerInnen Diskussionen in der Pause Viele Unterlagen entstehen

Eine Arbeitsgruppe Technische Besprechungen Moderator Thomas Matthä und Projektleiterin Susanne Zimmermann-Janschitz

Der Fragebogen

Um noch ein breiteres Publikum zu erreichen, aber auch um die Ergebnisse des vorangegangenen Arbeitstreffens sowie der Interviews abzusichern, wurde zusätzlich noch ein Fragebogen erstellt. Ziel war es, die bisher gewonnenen Informationen noch zu ergänzen und gegebenenfalls zu korrigieren. Inhalt des Fragebogens waren allgemeine Fragen, wie z.B. zum Sehvermögen, zur eigenen Mobilität, zu möglichen Barrieren, aber auch Fragen nach Orientierungshilfen auf unbekannten Wegen. Mit Hilfe der österreichischen Blindenverbände konnten rund 950 Fragebögen ausgesandt werden, nahezu 100 vollständig ausgefüllte Fragebögen haben wir zurückgesendet bekommen. Als kleinen Anreiz wurde unter all jenen, die uns ihre Mailadresse hinterließen, zwei Karten für eine Grazer Opernaufführung am 24. April 2015 mit Audio Description verlost. Die Karten wurden vom Odilien-Institut zur Verfügung gestellt. Wir bedanken uns an dieser Stelle bei all jenen, die sich an der Umfrage beteiligt haben und natürlich auch bei den Blindenverbänden für ihre Unterstützung!

Living Lab oder Testen, Testen, Testen

Wir wollen natürlich auch sicherstellen, dass ways2see auch wirklich verwendet werden kann und fehlerfrei funktioniert. Sonst wäre die Anwendung ja nutzlos und würde wie so viele Forschungsprojekte in der Schublade verschwinden. Um Sicherzustellen, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden und den Anforderungen durch die NutzerInnen gerecht zu werden, haben wir ein „Living Lab“, ein „Lebendiges Labor“ eingerichtet. Natürlich erfolgen die ersten Tests der Oberfläche und Wegbeschreibungen durch das Projektteam, aber da wir uns schon sehr lange mit ways2see beschäftigen, sind wir sozusagen betriebsblind. Im Lebendigen Labor wird unsere Anwendung ways2see durch potenzielle NutzerInnen getestet. Dazu haben wir TeilnehmerInnen aus unserem NutzerInnenworkshop eingeladen, sich ways2see intensiv anzusehen und auf Anwendungstauglichkeit zu überprüfen. So werden wir auf Fehler aufmerksam und können ways2see optimal gestalten.

Informationen für die Plattform und Software

Was ist ein GIS?

Die Abkürzung GIS steht nicht etwa für das Gebühreninformationssystem des ORF, sondern für Geographisches InformationsSystem. Was kann man sich nun darunter vorstellen? Der wichtigste Bestandteil eines Geographischen Informationssystems ist eine (Land-)Karte. Dazu gibt es im Hintergrund viele Informationen, die in Tabellenform gespeichert werden. Also ist ein GIS einfach gesagt eine Karte mit Hintergrundinformationen in Form von Tabellen. Eine Verkehrsampel wird als Punkt in der Karte dargestellt, in der Tabelle steht, ob es sich um eine normale Ampel oder um eine akustische Ampel handelt. Das Besondere bei einem GIS ist der sogenannte Raumbezug: das heißt, dass alle Punkte, Linien und Flächen in einer Karte, mit Koordinaten hinterlegt sind. Das kann man sich wie Adressen mit Straßenname und Hausnummer vorstellen – da weiß ich damit auch wo sich das Haus in der wirklichen Welt befindet.

Das ist aber noch nicht alles. Mit einem GIS kann man auch Analysen machen. Man kann zum Beispiel ausrechnen, wie viele Bewohner einer Stadt fünf Minuten zu einer bestimmten Bushaltestelle brauchen, oder man kann den besten Standort für eine Firma berechnen. Ein anderes Beispiel ist das Navigationssystem im Auto – auch da kann im Hintergrund ein GIS verwendet werden. Die Möglichkeit für unterschiedliche Analysen macht ein GIS zu einem sehr umfangreichen Werkzeug.

Aber keine Angst: ways2see verwendet das GIS nur im Hintergrund – man muss sich nicht mit einer komplizierten Software auseinandersetzen. Die Internetplattform greift zwar auf das GIS zu, es werden auch Analysen durchgeführt, aber nur die Ergebnisse werden angezeigt.

Für ways2see beispielsweise werden Routen berechnet sowie Wegbeschreibungen und Karten erstellt, die speziell für Menschen mit Sehbeeinträchtigung oder Blindheit gestaltet sind. Die Analysen dazu nennt man Netzwerkanalysen. So kann beispielsweise ein Weg zwischen zwei Adressen berechnet werden, bei dem nur Straßen mit Gehsteigen und akustischen Ampeln verwendet werden.

Woher kommen die Daten?

Für das Projekt ways2see werden sehr viele und auch sehr genaue Informationen, die im Geographischen Informationssystem Geodaten genannt werden, benötigt. Es gibt zum Beispiel keine Karte für die Stadt Graz, in der die Gehsteige angezeigt werden – es sind immer nur die Straßen dargestellt. Das ist aber eine ganz wesentliche Information für ways2see. Wie bekommen wir also die Daten? Da gibt es unterschiedliche Wege:

  1. Einige Daten gibt es inzwischen im Internet kostenlos. Diese Daten werden von Gemeinden, Städten oder anderen öffentlichen Stellen zur Verfügung gestellt (Öffentliche Verwaltungsdaten/Open Government Data).
  2. Dann gibt es Daten, die Privatpersonen freiwillig erhoben und dann im Internet veröffentlicht haben. Diese Art der Datenerhebung wird auch als Crowdsourcing bezeichnet. Eine bekannte Plattform dafür ist Open Street Map. Mittlerweile gibt es Stadtteile, die gut mit diesen Daten abgedeckt sind. Der Nachteil dabei ist jedoch, dass dabei weder die Richtigkeit, Aktualität noch die Genauigkeit der Daten überprüft wird und dass die Daten nicht für alle Stadtteile vorhanden sind.
  3. Neben den öffentlichen Verwaltungsdaten besitzen Städte und Gemeinden oft noch weitere Daten, die man aber kaufen muss. Diese Daten kosten sehr viel Geld. Mit der Stadt Graz konnten wir aber einen Datenaustausch vereinbaren und damit hat uns die Stadt wichtige Daten für das Projekt zur Verfügung gestellt.
  4. Dann gibt es noch Daten, die es noch nirgends gibt, die wir aber dringend für ways2see benötigen. So wie zum Beispiel die Oberflächen der Gehsteige oder Schranken und Poller: Diese Daten müssen wir „im Feld“ erheben. Das bedeutet, dass das Team der Universität Graz, insbesondere Simon Landauer und Jana Obermeier, zu Fuß in der Stadt unterwegs sind, die Objekte in eine Karte eintragen und später ins GIS übertragen. Und man glaubt gar nicht, wie viele Straßen es in Graz gibt, durch die die beiden laufen müssen …

Wozu braucht man Daten im GIS?

ways2see soll es ermöglichen, einen Weg mit Hinweisen und Gefahrenstellen darzustellen und dazu eine Wegbeschreibung auszugeben. Dafür müssen aber neben allen Straßen und Wegen auch sämtliche Hindernisse, Gefahrenstellen (Postkästen, Schranken, Hydranten etc.) und auch Hinweise (akustische Ampeln, Zebrastreifen, Orientierungspunkte wie Litfaßsäulen etc.) in das System eingegeben werden. Darüber hinaus werden Informationen zu wichtigen Punkten und Einrichtungen wie z.B. zu Geschäften, Apotheken, Ärzten, Freizeiteinrichtungen, etc. erfasst. Denn erst wenn die Informationen im System sind, können sie dann über die Internetplattform auch wieder ausgegeben werden.

Was ist eine Netzwerkanalyse in einem GIS?

Im Projekt ways2see ist eine zentrale Analyse, die mit Hilfe von GIS durchgeführt wird die Netzwerkanalyse. Das Netz von Straßen- und Gehsteigen von Graz wird dazu verwendet, Wege zwischen verschiedenen Adressen zu berechnen. Aber ways2see kann noch mehr:

Es berechnet zuerst einmal die besten Routen: Wie kommt man am schnellsten zu einer gewünschten Adresse? Dabei kann man unterschiedliche Einstellungen vornehmen, welche Hindernisse, welche Gefahrenstellen vermieden, welche Hinweise angezeigt werden sollen. ways2see kann auch die nächstgelegene Einrichtung finden. Zum Beispiel, wo befindet sich die nächste Apotheke? Welche Supermärkte sind in meiner nächsten Umgebung? Nachdem eine Apotheke ausgesucht wird, kann natürlich wieder der Weg dorthin ausgegeben werden.

Die Erstellung einer Karte und passender Symbole

Neben den vielen Daten, wie beispielsweise Gehsteigen, Zebrastreifen, akustische Ampeln, Schranken, Stiegen etc., die es aufzubereiten gilt und die in einer Karte eingetragen werden, muss natürlich die Grundkarte den Anforderungen angepasst werden. Es wurde die Entscheidung getroffen, nicht eine klassisch eingefärbte Karte zu verwenden, die beispielsweise Grünflächen mit der Farbe Grün, Häuser in einer grauen Farbe und Straßen im klassischen Schwarz darzustellen, sondern durch die Wahl von alternativen Farben Kontraste zwischen den Grundbausteinen der Karte – Flüsse, Häuser, Straßen und Grünflächen – besonders zu betonen und damit besser unterscheidbar zu machen. Zwar mag dieser erste Anblick der Karte vielleicht ungewohnt und irritierend sein, allerdings sind wir bei der Gestaltung unseren Informationen seitens der Nutzerinnen und Nutzer gefolgt.

Auch das Design der Symbole folgt dem Prinzip, das die Lesbarkeit und Unterscheidbarkeit über die Vielfalt und reine Ästhetik stellt. Wir haben daher auf feine Darstellung verzichtet und versucht, mit gut erkennbaren Symbolen auszukommen. Trotzdem sind wird dem Anspruch gefolgt, die Symbole mit einem hohem Erkennungswert zu versehen und diese attraktiv zu gestalten.

Auch die Benutzeroberfläche passt sich diesen Anforderungen an. Möglichst wenige Schaltflächen sollen eine rasche und intuitive Navigation auf der Seite ermöglichen, die Seite ist Screenreader-tauglich und kann auch nur mit der Tastatur bedient werden. Dies hat sich als wesentliche Herausforderung bei der Programmierung herausgestellt, da die Kombinationen von Webbrowser, Screenreader und Betriebssystem in unterschiedlichen Versionen kaum zu bewältigen ist. Der Fokus in der ersten Entwicklungsphase liegt dabei auf dem Browser Internet Explorer 11 und den Screenreadern Jaws 18 und NVDA 21.

Ein Experte gibt seine Meinung ab

Aber nicht nur Projektteam und „Lebendiges Labor“ testen ways2see, wir haben auch einen externen Experten gebeten, die Anwendung kritisch zu beurteilen. Dr. Kenneth Field, ein Kartograph der Firma Environmental Systems Research Institute mit Sitz in Redlands, Kalifornien (USA), hat das Produkt nach Schwachstellen und Potenzialen untersucht und seine Meinung fließt noch in der Endphase des Projekts in ways2see ein.