Logo des Projekts Ways2See

Ways2See



Wissenswertes - Was Sie schon immer zum Thema Sehbeinträchtigung und Blindheit wissen wollten

Das kleine Ein-mal-Eins im Umgang mit Menschen mit Sehbeeinträchtigung oder Blindheit

Viele Menschen hatten bisher noch keinen Kontakt oder kaum Kontakt zu Menschen mit Sehbeeinträchtigung oder Blindheit oder generell zu Personen mit einer Einschränkung. Daher ist es nur allzu verständlich, dass man Berührungsängste hat. Um diese vielleicht ein wenig abzubauen, sollen die nachfolgenden Zeilen behilflich sein. Darin werden verschiedene Erfahrungen geschildert, die mir persönlich oder Freunden und Bekannten im Umgang mit Sehenden passiert sind um auf die häufigsten Fehler und Irrtümer aufmerksam zu machen.

Allgemein

Oft fällt es schwer, einen Menschen mit einer Behinderung anzusprechen, weil man keine Erfahrungen hat und somit nicht weiß: Wie spricht man die- oder denjenigen überhaupt an, wie kann man überhaupt helfen? Grundsätzlich gilt: Einfach ganz offen fragen! Am besten fragen Sie, wie Sie behilflich sein können. Leider ist mir schon passiert, dass ich über die Straße geführt wurde, obwohl ich nicht einmal drüber wollte. Genauso wollte man mir freundlicherweise schon in die Straßenbahn helfen, obwohl ich noch nicht einmal wusste, um welche Linie es sich gehandelt hat. Vor kurzem ist es einer Freundin passiert, dass sie in der Linie 7 Richtung St. Leonhard saß und plötzlich am Arm gezogen wurde. Sie war der Meinung, dass sich da jetzt jemand hinsetzen möchte und sie aufstehen soll. Es stellte sich jedoch heraus, dass der aufmerksame Mann der Meinung war, dass sie jetzt hier beim Odilien-Institut aussteigen müsse, denn Zitat: „Da fahren doch alle Blinden hin.“ Sie hat ihm dann erklärt, dass sie bis zur Endstation fahren müsse.

Es gilt: Helfen ist total super, aber bitte fragen Sie, ob und wie Sie behilflich sein können! Und bitte seien Sie nicht ungehalten, wenn ihre Hilfe zu diesem Zeitpunkt nicht benötigt wird, da die Person an der Stelle vielleicht selber weiterkommt. Bitte lassen Sie sich davon nicht entmutigen!

Ortsangaben

Sagen Sie bei Ortsangaben nicht einfach nur: „Da drüben“, „da vorne“, „dort hinten“ etc. Bitte machen Sie genaue Angaben, entweder mit der Richtung, der Himmelsrichtung oder nach der Uhr etc. Auch mit dem Finger in die Richtung zeigen bringt Menschen mit Seheinschränkung oder Blindheit nichts – sie sehen ja nicht, wohin Sie zeigen. Sollten Sie mit einer Person mit einer Seheinschränkung unterwegs sein und z.B. in einem Gasthaus sitzen, machen Sie die Person bitte drauf aufmerksam, wenn Sie Ihren Platz verlassen – nicht selten habe ich schon mit leeren Plätzen gesprochen.

Richtiges Führen

Die geführte Person hängt sich bei der führenden Person am Arm ein. Bitte schieben Sie die sehbehinderte oder blinde Person nicht vor sich her! Ich persönlich habe dann immer das Gefühl, dass ich führen muss. Bei engen Stellen machen Sie bitte auf die Stelle aufmerksam und drehen den eigenen Arm auf den Rücken – so bekommt der Geführte mit, dass er nun hinterher gehen soll. Bei Treppen und Absätzen bitte immer darauf aufmerksam machen. Bei Türen nicht die Person voraus schieben, sondern gehen Sie selbst voran und sagen Sie, dass Sie durch eine Türe gehen. Seien Sie nicht irritiert, wenn ein Blinder einen anderen Blinden führt. Es kann nämlich sein, dass sich einer der beiden auf bekanntem Terrain befindet und den anderen führt, der sich noch nicht auskennt.

Menschen mit Sehbeeinträchtigung oder Blindheit sind nicht unmündig

Leider kommt es nicht selten vor, dass, wenn ich mit einer Begleitung unterwegs bin, diese meine Begleitung wie folgt angesprochen wird: „Was hätte er gerne?“, „Meinen Sie, ist das das Richtige für ihn?“. Nur weil jemand eine Seheinschränkung hat oder blind ist, kann er trotzdem ganz normal sprechen und verstehen. Es ist auch nicht notwendig, lauter, langsamer und artikulierter zu sprechen.

Gut gemeinte Goodies

Ja, auch ich freue mich gelegentlich über ein Zuckerl oder ein Stück Schokolade, aber bitte nicht, wenn es mir einfach ohne zu fragen in den Mund gesteckt wird! Ich möchte auch wissen, was ich da bekomme und möchte auch die faire Chance haben, es dankend abzulehnen. Vor einigen Monaten hatte ich etwas auf der Nase. Eine sehr fürsorgliche, liebe Kollegin wollte mir sogleich auch behilflich sein, kam auf mich zu und meinte nur: „Thomas, nicht bewegen.“ Und ehe ich mich versah, schmierte sie mir etwas auf die Nase, was extrem unangenehm gerochen hat und ich es sogleich wieder entfernen musste. Ihre Hilfe war zwar wirklich gut gemeint, aber ich hätte mir gewünscht, wenn sie mich vorher darüber informiert hätte. Dann hätte ich gewusst, was sie vorhat. Es gilt: Bitte immer fragen und informieren!

Vorlesen von Post und anderen Schriftstücken

Gelegentlich muss ich sehende Personen bitten, mir etwas vorzulesen. Leider passiert es mir dann sehr häufig, dass für mich schon mal vorselektiert wird, was für mich eventuell von Interesse sein könnte oder man gibt mir nur eine Zusammenfassung vom Inhalt. Einmal war eine Person, die ich gebeten habe, mir was vorzulesen davon aber so überfordert, dass sie mich bat, jemand anderen zu fragen. Es lag aber nicht daran, dass die Person nicht lesen konnte – im Gegenteil: die Person hat den Inhalt nicht verstanden und wollte mir das dann auch nicht zutrauen.

Besuch bei Personen mit Sehbeeinträchtigung oder Blindheit

Ich bitte meine Gäste immer, bevor sie gehen, ihr Geschirr, Flaschen, etc. in meine Spüle zu stellen, dass ich beim Abwischen nicht versehentlich ein Glas hinunter werfe. Da ich noch einen geringen Sehrest habe, ist es bei mir nicht notwendig darauf zu achten, dass alle Lichter ausgeschaltet sind. Bei einer vollblinden Person wäre es jedoch gut, wenn man beim Verlassen der Wohnung darauf achtet oder am besten drauf aufmerksam macht, dass das Licht noch brennt.

Fenster und Türen

Bitte Menschen mit Sehbeeinträchtigung oder Blindheit immer drauf aufmerksam machen, wenn Fenster oder Türen offen stehen. Ganz schmerzhaft sind halb offenstehende Türen. Eine blinde Freundin von mir quittierte einmal einen Zusammenstoß mit einer Türkante mit den Worten: „So muss es sein, wenn man Sterne sieht.“ Tja, sie hat es Gott sei Dank mit Humor genommen.

Unterwegs in der Stadt

Taktile Leitlinien und das Grazer T

Wenn Sie in Graz zu Fuß unterwegs sind, bin ich mir fast sicher, dass Sie schon einmal unbewusst, oder bewusst über die gerillten Bodenplatten gegangen sind. Oder Sie haben schon vor Kreuzungen die T-Förmigen gerillten Botenplatten bemerkt? Vielleicht haben Sie sich auch schon einmal gefragt, wofür diese Platten sind?

In Graz gibt es nämlich auf öffentlichen Plätzen, wie z.B. dem Hauptplatz, dem Jakominiplatz, dem Bahnhof etc. Leitlinien, auch taktiles Bodenleitsystem genannt, sowie an Kreuzungen ein T-Förmig angeordnetes Noppenfeld, welches blinden und sehbehinderten Personen zur Orientierung mit dem Langstock dient. Um nicht irrtümlich auf die Fahrbahn zu gelangen, orientieren sich blinde und sehbehinderte Personen oft an Gehsteigkanten. Spürt man mit dem Stock, dass sich der Gehsteig nach unten abflacht, weiß man, dass hier eine Überquerung kommt. Damit die Kante allerdings noch mit dem Stock wahrgenommen werden kann, ist eine Höhe von mindestens 3 cm erforderlich. 3 cm können aber für manche Rollstuhlfahrer ein unüberwindbares Hindernis darstellen. Damit nun kein Interessenskonflikt zwischen Sehbehinderten und Rollstuhlfahrern entsteht, führte Graz vor etlichen Jahren das so genannte "Grazer T" ein. Dies bezeichnet die rillenförmigen Bodenplatten vor der Überquerung, die T-Förmig angeordnet sind. Die Platten haben eine Breite zwischen 70 und 80 cm, damit sie auch leicht wahrgenommen werden können. Der Querbalken ist genauso breit, hat aber eine Länge von 280 cm. Die Entfernung des Querbalkens beträgt 30 cm zur Fahrbahn. Bei stark befahrenen Straßen kann der Abstand aus Sicherheitsgründen auch größer sein.

Das Grazer T ähnelt von seiner Form her dem Buchstaben T

Die Leitlinien führen meist zu öffentlichen Einrichtungen, bei denen teilweise der Eingang ebenfalls mit gerillten Gehplatten, die quer zur Leitlinie liegen, angezeigt wird. Um die vordere Tür der Straßenbahnen leichter zu finden, befinden sich bei der Einstiegsstelle ebenfalls gerillte Bodenplatten, das sogenannte Noppenfeld. Die Mitarbeiter der Graz Linien wurden darauf geschult, immer genau bei diesem Anzeigefeld stehen zu bleiben.

So hilfreich die Leitlinien zur besseren Orientierung auch sind, so haben sie leider auch Nachteile. Im Winter, wenn Rollsplitt auf den Straßen verteilt wird, ist es schon deutlich schwieriger, die gerillten Bodenplatten mit dem Langstock zu erkennen, noch schlimmer ist es, wenn Schnee darauf liegt.

Rollsplitt verlegt die Rillen der Leitlinie

Zudem kann es in der Stadt auch leider vorkommen, dass Fahrräder darauf abgestellt sind - daher die große Bitte an alle: Bitte halten Sie die Leitlinien frei, es wäre ja auch schade um Ihr Fahrrad, wenn es versehentlich durch einen ungewollten Zusammenstoß umfallen würde.

Das Grazer T nutze ich persönlich sehr gerne, um nicht versehentlich auf die Fahrbahn zu gelangen. Jedoch versuche ich mich nicht ausschließlich auf Leitlinien zu verlassen, sondern mir auch andere Anhaltspunkte, wie z.B. Häuser, etc. zu merken, falls die Leitlinien, zum Beispiel im Winter, nicht mehr erkennbar sind.

Quelle: anderssehen.at, 2017

Was bedeuten die Pfeile auf den akustischen Ampeln?

Im Gegensatz zu den taktilen Leitlinien ist den meisten Menschen bekannt, wofür die „tickenden Kästchen“, die an manchen Ampeln angebracht sind, dienen. Sie unterstützen durch ein akustisches Signal die Orientierung von sehbehinderten bzw. blinden Personen. Bei den meisten Ampeln ertönt im Stadtgebiet ein akustisches Signal, das bei Grünphasen schneller wird. Bei starkem Verkehrslärm ist es allerdings oft schwer, diesen Ton auch wahrzunehmen. Daher vibrieren manche dieser Kästchen an den Ampeln zusätzlich und ermöglichen, wenn man die Hand drauflegt, zu erkennen, ob die Ampel gerade grün, oder rot anzeigt. Aber sind Ihnen schon einmal die Pfeiltasten auf der akustischen Ampeln aufgefallen? Sie zeigen die Gehrichtung an und lassen blinde und sehbehinderte Personen wissen, in welche Richtung sie zur Überquerung der Straße gehen müssen. Manche akustischen Ampeln haben auch ein Relief, das Auskunft über die Kreuzung gibt, also ob es Verkehrsinseln oder Schienen gibt.

akustische AmpelRichtungspfeil auf akustischer Ampel

Fahrräder auf Leitlinien

Die Stadt Graz sorgt seit Mitte 2017 dafür, dass Fahrzeuge nicht mehr auf den taktilen Leitlinien einfach so abgestellt werden können, da diese für Personen mit Sehbehinderung oder Blindheit eine wichtige Orientierungshilfe sind. Seit der neuen Verordnung können jetzt Fahrräder abgeschleppt und deren Besitzer abgestraft werden. Es sind somit alle Menschen aufgefordert, ihren fahrbaren Untersatz nicht mehr behindernd abzustellen. Dies ist auch gut so, denn es schränkt Menschen mit einer Seheinschränkung nicht nur bei der Orientierung ein, sondern ist sogar äußerst gefährlich, wenn Fahrzeuge taktile Leitlinien blockieren. Es ist durchaus schon vorgekommen, dass eine blinde Personen an einem Pedal hängen geblieben und hingefallen sind und sich dadurch Zähne ausgeschlagen haben. Auch das Fahrrad könnte umfallen oder beschädigt werden, wenn man mit dem Langstock in die Speichen kommt. Daher die Bitte an alle Radfahrerinnen und Radfahrer: Stellen Sie ihr Rad auf den dafür vorgesehenen Stellplätzen ab, denn im Weg stehende Fahrräder sind für blinde und sehbehinderte Personen noch schwerer zu erkennen als abgestellte Autos, und dies erhöht die Verletzungsgefahr drastisch.

Quelle: meinbezirk.at, 2017

Wofür gibt es 3D-Modelle in der Stadt?

Sind Ihnen schon einmal die 3D-Modelle in der Stadt Graz, wie zum Beispiel jenes des Schlossbergs vor dem Grazer Uhrturm, aufgefallen?

Aber wozu dienen Sie? Sind sie nur Zierde, schauen schön aus oder haben sie auch einen anderen Sinn?

Sie haben durchaus einen Sinn: Blinde und teilweise auch sehbehinderte Menschen können sich keine Fotos ansehen oder Landkarten anschauen. Ein Gebäude, wie zum Beispiel das Rathaus, oder große Gegenstände sind auch schwer als Ganzes abzutasten. Da bieten sich 3D-Modelle sehr gut an, um eine Vorstellung zu bekommen, wie ein Gebäude aussieht. In Graz gibt es vier 3D-Modelle:

Es gab auch ein Modell der Murinsel, welches allerdings leider zerstört wurde. Vielleicht haben Sie ja einmal Zeit und Lust sich diese Modelle anzuschauen – und versuchen am besten gleich, die Modelle mit geschlossenen Augen abzutasten. Sie werden vielleicht bemerken, welche und wie viele Details Ihnen auffallen. Viel Spaß dabei!

Tag des weißen Stocks

Im Jahr 1969 riefen die Vereinten Nationen den „Tag des weißen Stockes“ ins Leben, der seither jeweils am 15. Oktober begangen wird. Der weiße Stock dient Menschen mit Sehbeeinträchtigung oder Blindheit nicht nur zur Orientierung, sondern auch als Schutz- und Erkennungszeichen gegenüber anderen Verkehrsteilnehmer. Der Paragraph drei (§3) der Straßenverkehrsordnung besagt, dass jeder Verkehrsteilnehmer davon ausgehen kann, dass sich die anderen entsprechend den geltenden Rechtsvorschriften verhalten. Dieser Vertrauensgrundsatz gilt jedoch nicht für Personengruppen, für die der Verkehr eine besondere Herausforderung darstellt. Dazu zählen Kinder, aber auch Menschen mit Sehbeinträchtigung oder Blindheit, da diese den Verkehr oft nicht richtig einschätzen können und gerade Blinde mit dem weißen Stock nicht alles erfassen können.

Als Hinweissymbol für diese Personengruppe gilt nicht nur der weiße Stock, sondern auch die gelbe Armbinde, wobei diese oft schlechter als der Stock zu sehen bzw. zu erkennen ist. Am 15. Oktober 1964 übergab US-Präsident Lyndon B. Johnson in einem symbolischen Akt Langstöcke an Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung – dieses Datum gilt mittlerweile als der Beginn des systematischen Orientierungs- und Mobilitätstrainings. Früher waren die Stöcke so kurz wie Krückstöcke, da viele blinde Personen älter waren und diese zusätzlich auch als Stütze verwendet haben. Problematisch war jedoch, dass die kurzen Stöcke zur vorausschauenden Orientierung nicht ausreichten. Mit dem heutigen Langstock ist man hingegen immer ein bis zwei Schritte voraus und kann damit einen möglichen Zusammenstoß oder Absturz verhindern. Um den richtigen Umgang mit dem Langstock zu lernen, gibt es spezielles Orientierungs- und Mobilitätstrainings.

Warum ist der Stock eigentlich weiß?

In Paris entstand bereits 1930 die Idee, blinde Personen als Schutz- und Erkennungszeichen mit einem weißen Stock, insbesondere aufgrund der guten Sichtbarkeit der weißen Farbe, auszustatten. Im Februar 1931 konnte Guilly d’Herbemont, die Schöpferin der Idee, in Anwesenheit von mehreren Vertreter von Blindenorganisationen und Ministern die ersten Langstöcke verteilen; seitdem ist der weiße Stock als Schutz- und Erkennungszeichen offiziell anerkannt. Heutige Langstöcke sind nicht nur in weißer Farbe gehalten, sondern zudem noch mit Reflektoren zur Verbesserung der Sichtbarkeit ausgestattet.

Eine Versuchsperson testet die Anwendung des weißen Stocks

Die Brailleschrift

Die Brailleschrift (kurz: Braille) wurde 1825 vom blinden Franzosen Louis Braille erfunden. Die Schrift besteht aus Punktmustern, die von hinten durch das Papier gedrückt werden. Dadurch entsteht auf der anderen Seite eine Erhebung, die ertastet werden kann. Das klassische Braille (Literaturbraille) besteht aus 6 Punkten, wobei drei vertikal und zwei horizontal angeordnet sind. Vertikal sind dies die Punkte 1, 2 und 3, daneben sind die Punkte 4, 5 und 6 angeordnet. Dadurch ergeben sich mit dem Leerzeichen 64 Kombinationsmöglichkeiten. Später wurde dies noch durch die Punkte 7 (links unten) und 8 (rechts unten) erweitert, um somit 256 Möglichkeiten zu erhalten. Das ist vor allem für die Benützung von Computern vom Vorteil, darum nennt man diese Erweiterung auch Computerbraille. Beim Literaturbraille muss man, um Sonderzeichen wie z.B. mathematische Zeichen oder ein @-Zeichen (Klammeraffe) darzustellen, ein Vorzeichen voranstellen. Aber auch Großbuchstaben müssen beim Literaturbraille mit den Punkten 4 und 6 angekündigt werden. Zahlen bestehen aus Buchstaben (z.B. 1 = a, 3 = c, 0 = j) und werden mit den Punkten 4, 5, 6 angekündigt. Beim Computerbraille wird ein Großbuchstabe mit dem Punkt 7 ergänzt und Zahlen mit dem Punkt 8, um sich das Vorzeichen, wie es beim Literaturbraille notwendig ist, zu ersparen.

Schreib- und Lesemöglichkeiten

Früher nutzte man zum Schreiben von Brailleschrift mechanische Prägemaschinen. Hierzu mussten die Tasten für die einzelnen Buchstaben zusammen gedrückt werden. Um zum Beispiel ein b zu schreiben, drückt man die Tasten 1 und 2. Für ein m die Tasten 1, 3 und 4. Stichelgeräte ermöglichen das Schreiben unterwegs. Dazu spannt man das Blatt ein und drückt mit einem spitzen Gegenstand (= Stichel) spiegelverkehrt die einzelnen Punkte in das Blatt.

Braillezeilen ermöglichen das Lesen am Computer. Braillezeilen gibt es in verschiedenen Längen, die häufigsten Varianten sind 40er oder 80er Zeilen, wobei 40 für 40 Zeichen und 80 für 80 Zeichen steht. Für den mobilen Einsatz, z.B. beim Smartphone gibt es aber auch schon kleinere Varianten. Außerdem besitzen moderne Zeilen oft einen internen Speicher, um sich Notizen machen zu können, oder kleine Apps, wie z.B. Taschenrechner, Uhr, etc. nutzen zu können. Mit einem Braille-Drucker kann man den Text in Punktschrift auf Papier ausdrucken.

Brailleschrift auf Medikamentenpackungen

Vor einigen Jahren – es dürfte im Jahr 2007 gewesen sein – war jemand, den ich erst seit kurzem kannte, bei mir auf Besuch. Als ich ihm die Brailleschrift erklärt habe, sagte er folgendes zu mir: „Jetzt weiß ich wenigstens, was die Punkte auf den Medikamentenschachteln zu bedeuten haben. Als ich das zum ersten Mal gesehen habe, habe ich mich gefragt, warum da jemand etwas hineingestochen hat.“

Dieser „Jemand“ war ganz schön fleißig, denn seit 2006 gibt es eine EU-Verordnung, die besagt, dass alle Arzneimittel mit Brailleschrift versehen werden müssen. Ausgenommen davon sind Desensibilisierungsmittel und homöopathische Arzneimittel. Bedauerlicherweise sind Angaben über das Verfallsdatum oder wie das Medikament eingenommen werden muss, freiwillig und daher äußerst selten, wenn überhaupt zu finden. Damit sind sehbehinderte oder blinde Menschen nach wie vor auf sehende Hilfe, oder Hilfsmittel angewiesen. Ganz selten findet man die Brailleschrift auch auf anderen Verpackungen, wie z.B. Tees, oder Pflegeprodukten.

Bei Aufzügen sieht man die Brailleschrift inzwischen wesentlich häufiger. Wenn der Lift allerdings keine Ansagen hat, weiß man nie, in welchem Stockwerk man sich befindet. Daher wäre beides wünschenswert – Beschriftung in Braille und die Ansage von Stockwerken. Abschließend noch ein Negativbeispiel: In Wohnhaus meiner Eltern gab es einen Lift, der von Barrierefreiheit weit entfernt war: Es war zwar die Brailleschrift angebracht, allerdings hatte der Lift einen Touchscreen – sofort beim Berühren des Touchscreens fuhr der Aufzug los. Und da er über keine Ansagen verfügte, wusste man nie, ob man zufällig den richtigen Knopf erwischt hat. Aber auch für sehende Personen war der Lift äußerst unpraktisch, denn wenn man beim Einsteigen nur mit der Jacke an dem Panel angestreift ist, brachte der Aufzug einen in fast jedes Stockwerk.

Quelle: Pharmazeutische Zeitung online, 2017

Das Alphabet

a
⠿⠁
1
b
⠿⠃
1 2
c
⠿⠉
1 4
d
⠿⠙
1 4 5
e
⠿⠑
1 5
f
⠿⠋
1 2 4
g
⠿⠛
1 2 4 5
h
⠿⠓
1 2 5
i
⠿⠓
2 4
j
⠿⠚
2 4 5
Ab k beginnt es wieder bei dem Buchstaben a, es kommt lediglich der Punkt 3 dazu:
k
⠿⠅
1 3
l
⠿⠇
1 2 3
m
⠿⠍
1 3 4
n
⠿⠝
1 3 4 5
o
⠿⠕
1 3 5
p
⠿⠏
1 2 3 4
q
⠿⠟
1 2 3 4 5
r
⠿⠗
1 2 3 5
s
⠿⠎
2 3 4
t
⠿⠞
2 3 4 5
Ab u wird es unregelmäßig:
u
⠿⠥
1 3 6
v
⠿⠧
1 2 3 6
w
⠿⠺
2 4 5 6
x
⠿⠭
1 3 4 6
y
⠿⠽
1 3 4 5 6
z
⠿⠵
1 3 5 6
Und noch einige Satzzeichen:
.
⠿⠄
3
,
⠿⠂
2
:
⠿⠒
2 5
?
⠿⠢
2 6
!
⠿⠐
5
@
⠿⡜
3 4 5 7
(
⠿⠦
2 3 6
)
⠿⠴
2 5 6

Möglichkeiten für die Sprachausgabe

Damit Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit einen Computer bedienen können, gibt es seit einigen Jahren die Möglichkeit der Sprachausgabe, auch Vorlese-Anwendung oder Screenreader genannt. Verschiedene Softwarefirmen stellen unterschiedliche Produkte bereit. Unter Windows wird vorwiegend der kommerzielle (und somit kostenpflichtige) Screenreader JAWS der Firma Freedom Scientific verwendet. Unter Mac OS X gibt es die Sprachsoftware VoiceOver, welche seit Jahren kostenlos auf Apple Geräten verfügbar ist. Ein Screenreader gibt den Bildschirminhalt in Sprache und/oder taktil auf einer Braillezeile aus. Die Sprache wird hierbei synthetisch erzeugt, mit dem Nachteil, dass dies oft sehr elektronisch klingt. Allerdings verfügen die meisten Screenreader über ein Wörterbuch. Damit kann man ein Wort, das nicht richtig gesprochen wird, hinzufügen und den Screenreader verbessern. Auf einer Braillezeile wird der Text in Brailleschrift dargestellt. Eine Sprachsoftware kann aber nicht nur Text, sondern auch Menüs und andere Elemente wiedergeben. Auch Webseiten sind schon sehr gut zugänglich, wenn die einzelnen Elemente wie Überschriften, Hyperlinks etc. richtig beschriftet sind.

Es gibt verschiedene Hersteller für Sprachausgabeprogramme – hier ein kleiner Auszug:

Für alle jene, die es interessiert, werden nachfolgend JAWS und VoiceOver kurz näher beschrieben.

JAWS von Freedom Scientific

JAWS (Job Access With Speech) wurde von der Firma Freedom Scientific im Jahre 1993 für Windows entwickelt. Zuvor wurde JAWS von der Firma Henter-Joyce Inc. produziert. Diese brachte im Jahr 1989 eine Version für das Betriebssystem MS-DOS heraus. Aktuell ist die Version 17.0.2619 (Stand August 2016). Es gibt sowohl eine 32 Bit Version als auch eine 64 Bit Version. Die Sprachausgabe „Eloquence“ ermöglicht die akustische Ausgabe der Bildschirminhalte. Zudem wird die Blindenschrift auf einer Braillezeile taktil dargestellt. JAWS ist ein proprietärer Screenreader, man muss also die Software kaufen, damit man sie verwenden kann. Allerdings gibt es auch die Möglichkeit, eine Demoversion zu verwenden, diese läuft allerdings nur 40 Minuten – danach muss der Rechner neu gestartet werden. Durch spezielle Anpassungen ist es möglich, die meisten Programme, die am Markt sind, zu verwenden. Außerdem können Skripte verfasst werden, die die Zugänglichkeit zu anderen Programmen, die nicht unmittelbar bedienbar sind, erweitern. Seit einigen Jahren ist auch das Internet mit JAWS sehr gut zugänglich, wenn die Elemente richtig beschriftet wurden. Im Internet kann man mit verschiedenen Kurztasten unterschiedliche Elemente wie zum Beispiel Überschriften, Links, Tabellen, Rahmen etc. ansteuern. Außerdem können die Elemente auch in einer Liste geöffnet werden, um so mit den Pfeiltasten bequem die einzelnen Überschriften auszulesen und direkt hinzuspringen. Da JAWS als anerkanntes Hilfsmittel eingetragen ist, gibt es für Menschen Sehbeeinträchtigung oder Blindheit im deutschsprachigen Raum die Möglichkeit, um Finanzierung von JAWS anzusuchen, da die Anschaffung relativ teuer ist.

VoiceOver von Apple

Auf dem Apple Betriebssystem wird seit der Mac-OS-X Version 10.4 ein Screenreader mitgeliefert. Da die Sprachausgabe mit dem Betriebssystem kombiniert ist, zählt VoiceOver zur verbreitetsten Software für Apple Produkte. Seit März 2009 wird auch auf dem iPod Shuffle VoiceOver angeboten. Darauffolgend wurde VoiceOver auf dem iPod Touch, dem iPhone und auf dem iPad verfügbar. Dadurch ist VoiceOver auf sämtlichen Apple Geräten (sogar auf dem Apple TV) vorhanden, wodurch Apple Geräte sehr zugänglich für blinde Personen sind. Durch die Möglichkeit, eigene Gesten zu verwenden, wird es blinden Personen auch möglich, Apple Touchscreen Geräte zu verwenden. Bei Apple Rechnern bedient man VoiceOver mit verschiedenen Tastenkombinationen. Die Stimme hört sich im Vergleich zu anderen Screenreadern vergleichsweise menschlich an. Natürlich gibt es auch hier Sprachfehler, die können aber wie bei anderen Screenreadern durch die Verwendung eines Wörterbuchs ausgebessert werden. Seit Lion (Mac-OS-X Version 10.7) wird die Sprachausgabe mit einer deutschen Stimme geliefert. Vorher musste man sich mit einem (kostenpflichtigen) deutschen Sprachpaket behelfen.

Der größte Unterschied im Vergleich zu Windows und den dort verfügbaren Sprachausgaben liegt in der Bedienung. Diese erfolgt nicht wie bei Windows vertikal, also von oben nach unten, sondern horizontal, also von links nach rechts. Zusätzlich muss man für die Navigation mehrere Tasten gleichzeitig drücken. Jede Sprachausgabe belegt eine eigene Taste für das Aufrufen der spezifischen Befehle. So auch VoiceOver, wobei es bei VoiceOver zwei Tasten gleichzeitig sind: die Control-Taste (CTRL-Taste) und die Options-/Wahltaste (ALT-Taste). Will man jetzt in einem Programm oder auf einer Webseite navigieren, drückt man die VoiceOver-Tasten und die rechte Pfeiltaste. Außerdem wird der Bildschirm für die Sprachausgabe in verschiedene Bereiche geteilt. So erhalten Benutzer mit Sehbeeinträchtigung oder Blindheit die Möglichkeit, mit den verschiedenen Bereichen, zum Beispiel der Symbolleiste, zu interagieren. Der Vorteil dabei ist, dass man aus dem gewählten Bereich nicht versehentlich wieder herausnavigiert. So kann man auch mit Tabellen arbeiten und bleibt, so lange die Interaktion gestartet ist, in der Tabelle und kann diese lesen.